1949: Ein kleines Mädchen im Sozialwerk Stukenbrock

Im September 2019 schrieb mir Frau Veronika Lange über ihre Zeit im Sozialwerk Stukenbrock. Sie war 1949 als kleines Mädchen unter ihrem Geburtsnamen Hämmerlein mit Ihrer alleinstehenden Mutter in das Lager gekommen und lebte ihrer Erinnerung nach im Block des Evangelischen Hilfswerkes (später Evangelisches Johanneswerk) etwa zweieinhalb Jahre lang.

Das Bild, aufgenommen am 29 Mai 1949, zeigt sie mit der Gruppe von Kindern und deren Mütter. Sie selber sitzt auf dem Schoß von Schwester Margarete.

„Die Zeit im Lager hat mich sehr geprägt!“ sagt Frau Lange heute. „Ich erinnere mich, dass wir mit 5 oder 6 Personen einen Raum geteilt haben. Im Zimmer stand ein kleiner Eisenofen, auf dem ich ab und zu restliches Brot geröstet habe. Das empfand ich immer als köstlich. Das Essen war natürlich für das Lager eine große Herausforderung. Ich selbst habe es leider nicht in so guter Erinnerung. Ich gehörte ja mit zu den jüngsten und kleinsten Lagerbewohnern und wurde ‚Krümel‘ genannt. Beim Essen saß ich immer neben Schwester Margarete. Sie passte genau auf, dass ich den Teller auch immer leerte, was mir bei den glasigen Kartoffeln sehr schwerfiel. Meistens konnte ich sie nicht bei mir behalten und war sie am Geländer der Essensbaracke wieder los“. Schwierig sei es auch gewesen, als ihre Mutter an Typhus erkrankte und sie von ihr getrennt war. In dieser Zeit hatte sie nur Sichtkontakt durch ein Fenster der Krankenbaracke zu ihr.

Auch bei der Körperpflege musste man improvisieren. Frau Lange erinnert sich daran, dass eine defekte Regenrinne hin und wieder als Dusche für ihre langen Zöpfe diente. So sei sie von der Läuseplage verschont geblieben und hätte keine Läusekappe tragen brauchen.

„Meine Mutter hat mir viele Anekdoten aus dem Lager erzählt“. So auch diese: Die Kinder hätten einen gewissen Freiraum im Lager gehabt. Einmal wäre sie, ohne sich bei ihrer Mutter abzumelden, Brombeeren pflücken gegangen. Als man sie vermisst hätte, wäre Unruhe im Lager entstanden. Bei ihrer Rückkehr habe sie nur noch eine Brombeere in der Tasse gehabt. Ihre Mutter sei zwar glücklich gewesen, dass sie wieder aufgetaucht wäre, aber auch traurig, dass nur noch eine Brombeere in der Tasse gewesen sei.

„Das Lager Stukenbrock war ein Teil meiner Kindheit und ich muss sagen, es war für mich ein schöner Abschnitt meiner Kindheit. Meine Mutter hat mir viel Liebe geschenkt und auf Vieles verzichtet und sich in einer für mich wichtigen Zeit aufopfernd um mich gekümmert. Ich hatte eine wunderbare Mutter und zugleich Freundin und Vaterersatz“.

Die Mutter von Frau Lange schrieb bei ihrem Aufenthalt im Sozialwerk Stukenbrock das "Lagerlied" auf, das damals von den Müttern mit ihren Kindern gesungen wurde.

Das Bild zeigt Frau Lange bei Ihrem 75. Geburtstag im Frühjahr 2019.

Liebe Frau Lange,

vielen Dank für diese berührenden Erinnerungen und dass ich sie hier veröffentlichen darf. Besonders freue ich mich über das Lagerlied, ist es doch ein wunderbares, authentisches Zeitdokument!

Gerd Plückelmann

Witten im Oktober 2019

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